Tinnitus
Akustische Informationen werden - bewusst oder unbewusst - durch die Wahrnehmung mit Sinn und Gefühlen verbunden.
Unser Limbisches-System ist für unsere Stimmung verantwortlich. Anatomische Verbindungen zwischen dem Limbischen-System und der Hörbahn steuern diese Vorgänge. Weitere Verknüpfungen führen zu unserem Gedächtnis. Hier wird der auf das Ohr auftreffende Schall mit bereits früheren Schalleindrücken verglichen. Handelt es sich hierbei um ein bekanntes Ereignis, so wird es als nicht alarmierend eingestuft und steigt deshalb nur selten in die bewusste Wahrnehmung auf. Ist es dagegen neu, wird es möglicherweise als Gefahr eingestuft und der bewussten Wahrnehmung zugeleitet.
Beispiel 2. Unsere gesamten Sinnesorgane leiten ohne Unterbrechung Daten an unser Gehirn weiter. Dieses erhebliche Datenaufkommen entspricht ungefähr 1 Millionen Byte pro Sekunde. Die von der bewussten Wahrnehmung mögliche zu bearbeitende Datenkapazität beschränkt sich auf 3 Byte pro Sekunde. Damit die bewusste Wahrnehmung funktionieren kann, muss das subkortikale Zentrum (unbewusste Wahrnehmung)eine strenge Auswahl der zufließenden Daten treffen, damit der bewussten Wahrnehmung nur das Wichtigste zugeleitet wird. Die überflüssigen Daten werden nun nicht einfach gelöscht, sondern werden dem akustischen Kurzzeitgedächtnis zugeführt. Sie beeinflussen subkortikal alle Zentren, unter anderem auch das Limbische-System. Es wird davon ausgegangen, dass der gesamte Datenfluss in irgendeiner Form auf den Menschen einwirkt.
Das Kurzzeitgedächtnis kann von außen blockiert werden. Dadurch wird jede Wahrnehmung verhindert, auch die des Tinnitus. Viele der Tinnitusbetroffenen berichten, dass wenn sie sich beschäftigen oder abgelenkt sind sie ihren Tinnitus nicht mehr wahrnehmen. Der Tinnitus ist jedoch nicht verschwunden, sondern wurde in das akustische Kurzzeitgedächtnis umgeleitet. Diesen Zustand öfters zu realisieren, oder über eine längere Zeit konstant zu halten, wäre für jeden Tinnitusbetroffenen wünschenswert.
Die dauernde Umleitung des Tinnitus in den
"Nicht - Wahrnehmungsbereich"
des Hörens ist das Ziel der Tinnitus Retraining Therapie.
Vergleichen wir die Arbeitsweise unseres Gehirns mit einem Computer, wird dieser Zusammenhang noch deutlicher. Die Bestandteile eines Computers sind die Hardware und die Software. Die Art und Weise, wie das Gehirn das „bloß Gehörte“ in sinnvolle Wahrnehmung umsetzt, ist nicht die Aufgabe der Hardware, sondern die der entsprechenden Software.
Die Hardware besteht dabei aus dem Innenohr, den Fasern der Hörnerven, den Zentren und Hörbahnen des Hörsystems. Sie ist gegeben, zwar störungsanfällig gegen Schädigungen aller Art, aber sie ist nicht veränderbar im Sinne der Anpassungsfähigkeit. Man muss sich die Funktion des Gehirns als ein außerordentlich kompliziertes Netzwerk an Verbindungen vorstellen. An seinen unzähligen Knotenpunkten der Vernetzung werden die in Nervenaktionspotentiale verschlüsselten Informationen in Weichen gestellt. Von dort werden sie dann entsprechend weitergeleitet. Nach welchen Prinzipien diese Weichenstellung erfolgt, kann nur ungenügend erklärt werden.
Wird jedoch der Begriff der Software mit ihren Programmen zur Hilfe genommen, erhält man eine Vorstellung darüber. Der Computer ist in der Lage, verschiedenste Programme zu bearbeiten, abzuändern oder zu löschen. Er benötigt jedoch Programme, um überhaupt zu arbeiten. Auch unser Gehirn braucht diese Softwareprogramme, um die an ihn gestellten Aufgaben zu erfüllen. Es muss aus der gegebenen Rohinformation Verbindungen zum Gedächtnis und zum Limbischen-System herstellen, es muss Sinnvolles von weniger Wichtigem trennen und es muss die bewusste Wahrnehmung herausarbeiten. Diese Aufgaben übernehmen die Softwareprogramme. Gäbe es sie nicht, so wären wir auch nicht fähig, uns bestimmten Situationen anzupassen, uns weiterzuentwickeln, oder überhaupt zu denken. Ein solches Programm z. B. verhindert, dass wir unsere eigenen Körpergeräusche - wie den Blutstrom oder den Herzschlag - wahrnehmen. Bei der Übertragung dieser Erkenntnisse auf den Tinnitus ergeben sich neue Ansatzpunkte. Auch der Tinnitus muss einem zentralen Softwareprogramm entsprechen. Zwar handelt es sich um ein Programm, das wenig sinnvoll ist und stört, aber das vorhanden ist. Erklären kann man dies am Beispiel der Hörnervdurchtrennung, die in mehr als der Hälfte der Fälle nicht dazu führte, dass der Tinnitus verschwindet. Für die Betroffenen wirkt sich dieses Programm aus wie ein Virusprogramm, das als Störung in der Wahrnehmung das Denken erschwert. Die Erfahrungen, die bei Betroffenen mit der Hörnervdurchtrennung gemacht wurden, zeigen aber auch noch etwas anderes.
In dem einem Fall läuft das lästige Tinnitusprogramm autonom im Gehirn ab. Ursächlich wurde es hervorgerufen durch einen Innenohrschaden. Da der Tinnitus aber auch noch nach der Durchtrennung gehört wird, hat er sich sozusagen von der Quelle abgekoppelt.
In dem anderen Fall verschwindet er nach der Durchtrennung. Diese beiden Arten des Tinnitus bezeichnet man als zentral bzw. peripher. Für den Betroffenen ist diese Unterscheidung ohne Bedeutung. Heute ist niemand mehr bereit, einen schwer an Tinnitus Leidenden den Folgen dieser Durchtrennung -Verlust des Gehörs ohne Garantie für das Verschwinden des Tinnitus- auszusetzen.
Glücklicherweise ist ein modernes Rehabilitationsprogramm bei peripheren und zentralen Tinnitus gleichermaßen wirksam.
Viele Tinnitusbetroffene berichten, dass sie anfangs des Tinnitus eindeutig in einem Ohr wahrgenommen haben. Nach einer gewissen Zeit hat er sich dann aber von dem einen Ohr losgelöst und kann jetzt nicht mehr lokalisiert werden. Diese Beobachtung kann man nur damit erklären, dass der Tinnitus ein zentrales im Gehirn und nicht mehr im Innenohr sich abspielendes Geschehen ist. Ebenso spricht für diese Theorie, dass sich eine Minderung des Tinnitus nicht durch ein „Leise werden“ zeigt. Er ist subjektiv gleichbleibend laut, die Wahrnehmung erfolgt aber nur noch in Intervallen, die immer kürzer werden. Diese Betrachtungsweise des Tinnitus verhilft nicht nur zu einem besseren Verständnis, sondern sie führt auch zu neuen Wegen in den Behandlungsmethoden. Das Innenohr ist bei dieser Betrachtungsweise nur noch die Vorstufe des Tinnitus. Subkortikal, das heißt im unbewussten Bereich des Gehirns entsteht er. Von Interesse ist nur, ob der im subkortikal eingelagerte Tinnitus in den bewussten Wahrnehmungsbereich aufsteigt.
Das Ergebnis der Rehabilitation ist, den Tinnitus möglichst selten oder gar nicht mehr in die bewusste Wahrnehmung aufsteigen zu lassen. Hierfür haben sich zwei Behandlungsmethoden etabliert. Diese sind die Passive- und Aktive - Tinnitus Therapie. Das Unterdrücken der Ohrgeräusche bzw. die Linderungen der Ohrgeräusche sind Ziele der passiven Methode. Hierzu zählen alle medikamentösen Behandlungen und viele nicht medikamentösen Therapien. Darüber hinaus gehört auch die Maskierung der Ohrgeräusche zu den passiven Methoden. Es wird versucht, den Tinnitus wenigstens zeitweise zu verdecken. Es ist aber nicht möglich, diese Therapieform dauernd anzuwenden, auch heilt sie den Tinnitus nicht. Wird eine dieser Maßnahmen beendet, so ist der Tinnitus unvermindert wieder da. Die aktive Methode hingegen versucht, dem Betroffenen Hilfe und Anleitung zu einer aktiven Selbsthilfe zu geben. Sie umfasst die Psychotherapie, alle so genannten kognitiven Therapien ( Anleitung des Patienten, über den Verstand mit seinen Problemen fertig zu werden ), sowie alle Entspannungstherapien. Hierbei wird sehr viel Eigeninitiative von dem Betroffenen verlangt. Leider neigen sie oft dazu, ihren Tinnitus als einen Fremdkörper zu betrachten, den man einfach entfernen soll. Diese Einstellung muss grundlegend geändert werden, auch wenn es den Betroffenen nicht immer leichtfällt. Die Kombination der aktiven und passiven Methode bringt bei schwer Tinnitus Betroffenen Linderung und Heilung. Man findet diese Kombination oft an Tinnituskliniken. In einem mehrwöchigen Kuraufenthalt mit einem breiten Therapieangebot wird individuell dort angesetzt, wo eine Besserung zu erwarten ist. Es kommt zum Einsatz verschiedenster Begleittherapien, den Einsatz von Tinnitusmasker , Rauscher, Hörgeräten, der Psycho- und Physiotherapie.
Die Mehrzahl der Patienten empfindet eine erhebliche Verbesserung des Allgemeinzustandes. Ein Nachteil eines solchen Klinikaufenthaltes darf nicht unberücksichtigt bleiben. Aufgrund der großen Entfernung zum Wohnort kann eine Nachbetreuung seitens der Klinik in den seltensten Fällen erfolgen. Der Patient wird wieder in sein Umfeld zurückkehren. Dort findet er die gleichen unbefriedigenden Verhältnisse vor, denen er für eine längere Zeit entfliehen konnte. Ist es dem Patienten nicht gelungen, während seines Aufenthaltes in der Klinik einen grundlegenden Schritt in Richtung Tinnitusbewältigung zu realisieren, wird die Besserung nur kurze Zeit bestehen bleiben. Aus diesem Grund ist ein länger konzeptiertes Programm weitaus günstiger, welches den Alltag des Betroffenen begleitet und solange fortgesetzt wird, bis eine stabile Besserung erreicht ist. Das Einbeziehen der Angehörigen wirkt sich ebenfalls positiv auf das Gesamtbild aus. Gut informierte und interessierte Angehörige sind für den Betroffenen eine große Hilfe.
Das von uns praktizierte Rehabilitationsprogramm
hat sein Fundament in den drei Säulen.
Aktive Umprogrammierung Kognitive Methoden: Wissen und Verstehen Vermindern von Ängsten und Befürchtungen Aktives Umdenken: Tinnitus nicht als Feind, sondern neutral betrachten | Passive Umprogrammierung Rauschgeneratoren
Hörgeräte
Kombigeräte | Verbesserung des Allgemeinzustandes Aktive Suche nach Verbesserungen - körperlich - psychisch - soziales Umfeld Hilfe von Außen - Psychotherapie - Körpertherapie - ( Schlafmittel ) - ( Antidepressiva ) |